Mama komt straks!

Mama komt straks!

Ein kleiner Einblick in meine Arbeitswelt- anhand der Entwicklung meiner Niederländisch Sprachkenntnisse.

So, nachdem ich für diesen Text wirklich eine ganze Weile gebraucht habe, den habe ich nämlich schon länger vor zu schreiben und zu veröffentlichen, nehme ich dich jetzt gedanklich mit in einen Teil meiner täglichen Arbeit in der Schule. Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen!

„Mama komt straks“- den Satz hatte ich schon am ersten Tag in der Schule raus. Die ersten Tage nach den Ferien, waren für die Kinder nicht leicht. Die, die schon letztes Jahr hier waren, mussten sich erst wieder daran gewöhnen regelmäßig hier zu sein und dann gab es noch die ganz Neuen, für die der Abschied von Mama natürlich sehr hart war. Das führte dazu, dass die mittägliche Pausenaufsicht vor allem daraus bestand ein Kind nach dem anderen zu trösten und ihm zu erzählen: „Mama kommt bald.“

Ich habe aber relativ schnell meine Lieblingsaufgabe auf dem Spielplatz gefunden: die Aufsicht, Anleitung und das Anschubsen an den Schaukeln. Dort stehe ich in dem teilweise eingezäunten Schaukelbereich, achte drauf, dass kein kleines Kind von den Schaukeln erschlagen wird, dass die großen sich nicht immer als erstes die frei gewordene Schaukel schnappen, indem ich die Schaukel den Kindern überlasse die schon am längsten warten und versuche den Kindern, die nicht von der Schaukel gehen wollen, beizubringen sie zu verlassen, wenn die nächsten dran sind.

Die Jüngsten schubse ich an, versuche ihnen das System mit „Beine vor- Beine“ zurück zu vermitteln und wenn das noch gar nicht klappt, spiele ich ein Spiel mit mir selbst, indem ich versuche, die beiden Schaukel gleichzeitig vor und zurück schwingen zu lassen. Da freuen sich auch die Kleinen, wenn sie sehen, dass ihr Schaukelnachbar auf der gleichen Höhe ist wie sie.

– Ja daraus kann man eine eigene „Schaukel-Wissenschaft“ machen.

Am zweiten oder dritten Tag, habe ich mich mal bei meiner Betreuerin erkundet, wie ich den Kindern klar machen kann, dass jetzt gewechselt wird. Das nennen sie einfach „Wisseltijd“ (dt. wörtl.: Wechselzeit). Ich glaube zwar, dass ich es anfangs falsch ausgesprochen habe, aber egal, die Kinder haben mich verstanden und sie sind sowieso sehr tolerant, was meine Sprachkenntnisse angeht.

Neben dem Schaukeln beobachte ich die Kinder, die außen herum spielen. Schlichte soweit es mit der Verständigung klappt einen Streit oder unterhalte mich mit den Kindern, die gerade warten. Über die neuesten Haargummis, ihre Hobbys, wo ich begeistert erfahre, dass sie gestern schwimmen waren oder heute noch ins Judo gehen und was sie da schon alles können und bewundere die neuesten Steinsammlungen oder Stöcke, die sie gerade gefunden haben und mir stolz präsentieren. Ich bespaße die, die auf der Schaukel sitzen, indem ich ihre Füße festhalten und sie dann wieder nach hinten „fallen“ lasse oder wahlweise auch die während dem Schaukeln abgefallenen Gummistiefel im Schwung versuche wieder anzuziehen.

Wenn ein Kind auf mich zu kommt und mir etwas erzählt (auf Niederländisch anfangs für mich meistens unverständlich) darüber, wer wem wehgetan hat oder wer wem das Laufrad weggenommen hat, habe ich so nach der ersten Woche, in der ich nur unverständlich geschaut habe, das Kind schon an eine andere Lehrerin weiterleiten können: „Ik weet het niet. Vrag zij!“ (dt.: Ich weiß es nicht. Frag sie!).

Ich kann mich immer mehr, mit den französischsprachigen Kindern natürlich schon von Anfang an, unterhalten. Ich kenne jetzt die Namen fast alle Kinder, was große Vorteile hat und kann mir mittlerweile auch merken, welches Kind mich in welcher Sprache am besten versteht. Vor allem am Anfang war es ganz ohne Niederländisch nicht immer einfach. Es gab da zwei Kinder, die sich einen Spaß daraus gemacht haben, dass ich sie ganz und gar nicht verstehe. Aber wie willst du ihnen klar machen, dass das nicht in Ordnung ist, wenn die einzige Vokabel, die du kennst, um sie eventuell zu aufhören zu bringen „Stopp“ ist? Da habe ich dann, als es mir irgendwann zu viel wurde, eine andere Erzieherin gebeten mit den zweien zu reden- auf Niederländisch versteht sich.

Mittlerweile verstehen wir uns gut. 😉

Mittags im Hort (nl. „Opvang“) gibt es so drei Hauptaufgaben, die wir zwischen uns drei Lehrerinnen bzw. Betreuerinnen aufteilen.

Die erste ist eine allgemeine: Die Kinder werden beschäftigt. An manchen Tagen mit Kreide, mit Gesichtsschminke, manchmal mit Springseilen und jeden Tag liegen Blättern und Stifte zum malen draußen auf dem Tisch. Dort kann ich seid etwa zwei Wochen jedes Kind fragen: „Will jij ook wat teken?“ – ob es auch etwas malen möchte.

Eine von uns übernimmt die Aufsicht auf der großen Wiese, die hinter den Schulgebäuden liegt, was an warmen Spätsommertagen meistens ein Entspanntes in der Sonne sitzen bedeutet.

Wenn die Eltern im Laufe des Nachmittages dann nach und nach eintrudeln, müssen die Namen der Kinder gescannt werden, damit im System der Schule erscheint, um welche Zeit sie abgeholt wurden. Eine Aufgabe, die ich mittlerweile fast problemlos übernehmen kann. Doch am Anfang war das wirklich nicht einfach. „Wat is jouw familienaam?“ (dt. „Was ist Ihr Nachname?“) hatte ich nicht so schnell raus und logischerweise sprechen an einer flämischsprachigen Schule (wie die Kinder) nicht alle Eltern Französisch.

Hinzu kommt, dass das Niederländische Alphabet etwas anders ist als das deutsche. Wenn ich den Namen dann also nicht verstanden habe, den die Eltern mir genannt haben und ich gefragt habe womit der Name anfängt bekam ich ab und zu als Antwort den Buchstaben „G“. Das hört sich recht unspektakulär an, aber das niederländische „G“ klingt wie das harte „ch“ in „kochen“ also in etwa „che“. Ja, da sucht man dann lange unter „H“ oder „C“ nach dem Nachnamen des Kindes…

Aber ich werde immer besser, kann mir mittlerweile sogar bei vielen Kindern merken, welches Elternteil zu welchem Kind gehört und so langsam sitzen auch die dazugehörigen Nachnamen.

Es gibt viele Arten von Eltern, die ihre Kinder abholen. Die meisten kennen mich mittlerweile auch und ich bekomme dann ein freundliches Lächeln von ihnen, wenn sie den Pausenhof betreten. Es gibt jene Eltern, die direkt auf mich zu kommen und mir nochmal ihren Namen sagen und solche, die dann auch kurz stehen bleiben und sich mit mir unterhalten, was ich besonders gerne mag. Dann gibt auch die, die nur kurz kommen und dann versuchen unauffällig zu verschwinden, sodass ich ihnen hinterherrufen/-rennen darf, um doch noch kurz den Namen des Kindes mitzubekommen. Dann gibt es solche, die vergessen haben bei mir vorbeizuschauen, auf die ich dann zugehe und da sind die Eltern, die erwarten, dass ich mir den Namen des Kindes, alle dazugehörigen Elternteile und Omas, die zum abholen eingeteilt sind, sowie den Nachnamen schon nach dem ersten Mal gemerkt habe und mich dann etwas genervt anschauen oder reagieren, wenn ich doch „nochmal“ nach dem Namen frage. Zum Glück ist das aber seltener der Fall. Meistens erzähle ich noch kurz mit den Eltern, nachdem sie sich mit mir freuen, dass ich schon alleine auf den Familiennamen gekommen bin und wenn ich ihnen freundlich begegne und lachend entgegenkomme, bekomme ich das auch genauso zurück. Das ist schön zu sehen!

Neben dem Scannen gilt es im Hort immer mal wieder einen Streit zu schlichen, die kleinen Kinder davon abzuhalten bei den Fahrradständern zu spielen, was sie nicht dürfen, dafür zu sorgen, dass nach dem Mittagssnack der Kleinen die Brotdosen wieder in den richtigen Taschen landen und gegen Ende des Tages die Tische wieder reinzustellen und sämtliche liegengebliebene Malblätter, Jacken und teilweise Rucksäcke einzusammeln. Anstrengend war vor allem die Zeit, in der der Scanner kaputt war und wir die Namen dann per Hand aufschreiben mussten- da muss man nämlich mehr Buchstaben verstehen als den Anfangsbuchstaben des Nachnamens. Oder wenn man keine Stimme hat, weil man am Wochenende trotz Erkältung viel geskypt hat. Aber das erschwert nicht nur die Zeit im Hort, sondern den ganzen Arbeitstag, wie ich euch jetzt aus Erfahrung berichten kann.

Ich habe außerdem gelernt, dass man Hosen bei der Arbeit mit Kindern öfter waschen muss, als ich das sonst im Alltag gewöhnt war, denn da kommen einfach zu viele dreckige Kinderhände und -schuhe im Laufe eines Tages dran. Dazu kommt, dass meine Gummistiefel sich als ein treuer Begleiter erweisen, denn mittags in der Pause wird einem schon ab und an auf die Füße getreten. Was an sich nicht schlimm ist, aber wenn die Kinderfüße in absolut dreckigen, im besten Fall noch nassen Gummistiefeln stecken, macht mir das einfach weniger aus, wenn sie meine Gummistiefel dabei dreckig machen, als andere Schuhe, die ich auch gerne außerhalb der Schule tragen möchte.

Allgemein versuche ich für die Schule immer warm genug angezogen zu sein, weil ich im Laufe des Schultages viel draußen bin. Das ist nicht wie früher in der Schule, wo einem dann vielleicht auf dem Schulweg etwas kalt war, aber man hat ja dann den ganzen Tag im warmen Schulgebäude verbracht, sondern hier muss die Kleidung ausreichen, um lange draußen zu stehen und dabei gesund zu bleiben.

Doch auch wie ich es im letzten Beitrag zur Schule schon geschrieben habe, macht die dreckige Hose ein Kinderlachen wieder wett. Wenn das Mädchen, was die ersten Tage nur bitterlich geweint hat, lacht, weil du mit ihm auf der Schaukel Quatsch machst und anfängt mit dir zu reden (auch wenn es nur Spanisch ist und ich dann nur wissend als Antwort nicken kann), lohnt sich die Anstrengung.

So lebe ich also jeden Tag zwischen Schaukeln, Scannern und einer Menge Kinder, die auf meinem Schoß sitzen wollen, mich umarmen oder mit mir erzählen. Während ich Steine bewundere und mich mit Lehrern über die Kinder unterhalte, mal anstrengend und weniger anstrengende Tage erlebe. Immer mehr lerne, wie die Waldorfpädagogik an meiner Schule umgesetzt wird und auch immer mehr meine Liebe zu Wachmalstiften und sämtlichen beschützenden Engeln entdecke. Aber dazu und zu meiner Zeit in den Klassen erzähle ich euch beim nächsten Mal mehr.

Dieser Text ist ja schon ziemlich lang geworden, weil viel passiert ist und ich über die Schule lange nicht erzählt habe. Außerdem ist mir immer mehr eingefallen ist, während ich meine anfänglichen Notizen in Sätze verwandelt habe.

Ich hoffe euch hat der kleine Einblick in meine Schulzeit gefallen und ich freue mich darauf euch bald noch mehr darüber zu erzählen, aber für heute genieße ich jetzt noch das schöne Wetter! 🙂

Bis zum nächsten Mal, eure Gwen

3 Replies to “Mama komt straks!”

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