Ik studeer Nederlands.
-Ich lerne Niederländisch.
Schon seid einer ganzen Weile will ich euch gerne mehr darüber erzählen, wie und wo ich die neue Sprache lerne. Etwas über den Unterricht, den ich besuche, und die Schwierigkeiten sowie auch die einfachen Dinge im Niederländischen schreiben, die mir bis jetzt so aufgefallen sind. Ich werde versuchen mich nicht allzu sehr in der Sprache und meiner Begeisterung für Aufbau, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu vertiefen, aber ich habe meine Freude daran und das fällt dir beim Lesen des Textes wahrscheinlich auch auf. Trotzdem gebe ich mir natürlich Mühe, dass es ein interessanter Beitrag für euch wird und kein Schulaufsatz voller Fakten und Beispiele. 😉
Jeden Montag und Dienstagabend fahre ich direkt von der Arbeit zu der Schule von CVO Brussels, die vier Straßenbahnstationen von mir zuhause entfernt liegt. Das ist eine Erwachsenenschule, wo neben Sprachkursen auch Computer-, Erziehungs- und andere Kurse angeboten werden. Vergleichbar mit einer Volkshochschule bei uns denke ich.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der Altersdurchschnitt meiner Klasse auch etwas über meinem Alter liegt, was aber trotz der Unterschiede zu guter Stimmung und einer netten Atmosphäre im Kurs führt.
Zu Beginn waren wir an die 25 angemeldeten Leute im Kurs, von denen schon in den ersten Wochen nie mehr als 18/20 gleichzeitig da waren. Seid den Herbstferien ist die Zahl der tatsächlich anwesenden Leute im Kurs auf 13/14 Personen geschrumpft. Dafür sind alle die, die noch da sind mittlerweile zusammengewachsen und man kennt die anderen recht gut.
In den meisten Fällen wissen wir voneinander, wer aus welchem Land kommt, wer verheiratet ist, wer Kinder hat und wer nicht, wer welchen Beruf ausübt und was wir in unserer Freizeit tun und sei es, dass alle wissen, dass man gerne staubsaugt- solche Dinge kommen nunmal raus, wenn man über Ehen, Kinder und Alltagsaktivitäten in der neuen Sprache redet, um möglichst viele neue Worte zu lernen.
Trotz des durchschnittlichen Alters von ca 30 Jahren im Kurs unterscheidet er sich nicht in vielen Sachen von einer Schulklasse. Es gibt in jeder Stunde auch die, die immer zu spät kommen, die, die zuhause fast nichts wiederholen, im Unterricht nur so halb mitkommen und sich etwas weniger Mühe geben und solche, die sich mehr Mühe geben, immer schnell mit den Aufgaben fertig sind, dann jene sind, die den anderen helfen, die eher Hilfe brauchen. Es gibt die, die bei Tests gerne mal abschreiben und es gibt welche mit mehr Plan von dem Ganzen und welche mit weniger.
Die Motivationen im Kurs die Sprache zu lernen und damit auch die Bereitschaft zuhause vielleicht doch nochmal die Notizen aus letzter Stunde zu wiederholen sind verschieden. Bei manchen hat man wirklich das Gefühl, dass sie es lernen wollen, andere scheinen etwas gezwungenermaßen dort zu sitzen und nur mit halbem Ohr zuzuhören. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass sich zumindest während des Unterrichts alle bemühen mitzumachen und es gibt niemand, der die Aufgaben lustlos und unmotiviert bearbeitet. Daran kann man dann doch erkennen, dass es sich nicht um eine Schulklasse handelt, sondern letztlich jeder freiwillig da ist. Wer keine Lust mehr hat kann ja auch einfach aufhören.
Ich muss sagen, dreieinhalb Stunden, zweimal die Woche konzentriert nach der Arbeit noch zur Schule zu gehen, ist schon anstrengend, aber ich gebe ehrlich zu, dass ich wirklich gerne dorthin gehe. Mit denen, die „noch“ da sind, verstehe ich mich echt gut und wir haben schon alle Spaß zusammen, wenn wir dort sitzen, unserer Lehrerin zuhören und dann selber den Versuch wagen sich mit (vor allem für Französischsprechende) seltsamen Satzkonstruktionen auseinanderzusetzen. Dann albern wir herum und bilden Sätze von denen wir uns nicht immer sicher sind, ob man die so sagen kann und wiederholen stolz die neuesten Wörter, die wir gelernt haben.
Wir kommen alle aus unterschiedlichen Ländern oder haben verschiedene Hintergründe und das macht die Gruppe angenehm bunt. Da kommt jemand aus Ruanda, aus Russland oder den USA. Ein paar gebürtige Belgier sind dabei, die aber teilweise marokkanische oder arabische Familien haben, eine Französin und ich als einzige deutsche Muttersprachlerin. Fast alle sprechen Französisch und das ist auch die Sprache, in der wir uns in der Pause (und unerlaubterweise auch mal während Gruppenarbeiten) meistens unterhalten- ist ja doch entspannter so, als wenn einem noch jedes zweite Wort fehlt, um einen Satz zu bilden.
Mittlerweile können wir alle die typischen ersten Sätze sagen, die man so lernt, wenn man mit einer Sprache neu anfängt.
„Ik heet Gwen.“ (-Ich heiße Gwen.), „Ik kom uit Duitsland.“ (-Ich komme aus Deutschland.) und „Ik ben niet getrouwdt en ik heb geen kinderen.“ (-Ich bin nicht verheiratet und ich habe keine Kinder.) sowie „Ik strijk niet graag.“ (-Ich bügel nicht gerne.). Ihr seht, Sätze, die man auf jeden Fall im Alltag gebrauchen kann. 😉
Nun ja, an den paar Beispielen könnt ihr sehen, dass die deutsche Übersetzung in den meisten Fällen naheliegend ist. „Afwas“ ist der Abwasch, klingt halt ein bisschen anders, aber in einem Satz kann man das ganz gut verstehen. Doch wie bei „strijken“ – bügeln, kommt man dann schon mal mit stricken durcheinander und so gibt es auch ein paar andere Wörter, die genau das Gegenteil bedeuten, von dem, was ich dahinter aus dem Deutschen Ableitend vermuten würde.
„Trekken“ zum Beispiel ist nicht drücken sondern ziehen- wer soll dann da an den Türen noch durchblicken?
Ähneln die Wörter dem Deutschen, dann erfreue ich mich an der für mich ungewohnten Schreibweise… wenn jemand– „iemand“ geschrieben wird, noch– „nog“, Vormittag– „voormiddag“, schwimmen wird zu „zwemmen“ und Butter wird auf einmal mit ‚o‘ und nur einem ‚t‘ geschrieben („boter“). Gramm nur mit einem ‚m‘, Waffel mit einem ‚f’ und geschieden wird auf einmal mit ‚ei’ zu „gescheiden“…
Da sind in meinen Texten eher Rechtschreibfehler als Satzkonstruktionen rot markiert.
Will ich dann umgekehrt im Unterricht etwas auf deutsch notieren, versagt auch mein Gefühl für die deutsche Rechtschreibung und das Ganze wird ein einziger Fehlerhaufen- aber gut, für meine Arbeit in der Schule reicht es ja auch, erstmal sprechen zu können. Das ist eher mein eigener Anspruch auch schriftlich gut zu sein.
Manche Worte, die dem deutschen ähnlich sind, kann ich auch direkt in der Klasse für mich übersetzen, aber es gibt ein paar, für die habe ich tatsächlich ein bisschen Zeit gebraucht, um selbst auf eine korrekte deutsche Übersetzung zu kommen. Zum Beispiel „verjaaren“: „Verjaardag“ ist der Geburtstag, aber ein deutsches Verb wie „geburtstagen“ gibt es nicht. Es ist ‚Geburtstag haben‘ und „fietsen“ ist nicht „fahrraden“, sondern ‚Fahrrad fahren‘…
Ihr könnt sehen, dass das Verstehen der Sprache als deutsche Muttersprachlerin wirklich keine große Kunst ist. Ich kann viele Worte nunmal eben ins Deutsche übersetzten, wenn jemand mit mir Niederländisch spricht. Doch sobald ich selber etwas sagen will, fehlen mir die ganzen Wörter, die ich sonst eigentlich „kann“, da ich die Veränderung eines Wortes auf dem anderen Weg vom Deutschen ins Niederländische nicht einfach kenne.
Deshalb heißt es auch für mich Vokabeln lernen. Eben nicht zum Verstehen, sondern zum selber reden und das ist schon etwas frustrierend, da es so einfach scheint und trotzdem Arbeit bedeutet… wenn man dann noch etwas ungeduldig ist und die Sprache gerne einfach so können würde, muss ich mich manchmal selbst etwas beruhigen, dass es nunmal Zeit braucht eine Sprache zu lernen, egal wie ähnlich sie meiner eigenen sein mag.
Wie ich letzte Woche von ein paar Lehrern hören durfte macht sich meine Aussprache schon ganz gut. Das ist natürlich schön zu hören, dass andere begeistert sind, wie gut ich schon verstehe oder spreche. Eine Lehrerin meinte, dass es Eltern gäbe, die die Lehrer nach zwei Jahren immer noch nicht verstünden und sie mich demnächst als Beispiel anbringen müssten, um zu zeigen, dass das sogar nach drei Monaten schon gehen kann. Danach bin ich dann auch wieder motivierter mich hinzusetzten und weiterzulernen, wenn ich gespiegelt bekomme, dass es etwas bringt!
Vielleicht ist euch aufgefallen, dass recht viele Wörter mit ‚ij‘ geschrieben werden, was im deutschen oft ein ‚ei‘ ist (mein/mijn, Eis/Ijs, sein/zijn). Und um auf das Schriftliche zurückzukommen: es istirgendwie nicht einfach ‚i‘ und ‚j‘ in einem Wort schön hintereinanderzuschreiben. Das stört mich, wenn das nie schön geschrieben aussieht… das sind so die Kleinigkeiten mit denen ich kämpfe. 😉
So leicht manche Vokabeln für mich zu verstehen sind, so muss ich mich, um selber zu reden, auch an eine andere Aussprache gewöhnen. Manchmal wird ein Wort sogar gleich geschrieben und doch klingt es dann anders, wenn es gesprochen wird.
Dazu kommt regelmäßig leichtes Halskratzen vom vielen harten ‚ch’-Aussprechen (wie das ‚ch’ im deutschen Wort „kochen“ oder „Rache“) und da meine Stimme vom vielen über den Pausenhof rufen oder Kinderlärm übertönen eh gereizt ist, ist die Aussprache des Niederländischen natürlich nicht besonders sanft zu meinen Stimmbändern.
Vielleicht wirkt es durch manche Beschreibungen, als beschwere ich mich hauptsächlich über die Sprache, was Rechtschreibung oder Aussprache angeht, doch ich möchte dich bitten nicht dieses Bild von mir und meiner Freundschaft mit der Niederländischen Sprache mitzunehmen. Ich mag die Sprache wirklich gerne und bin auch echt froh, dass sie recht leicht zu verstehen ist. Es ist verglichen mit einem Französischsprachler, der anfängt sie zu lernen, doch entspannter. Dazu kommt, dass die Grammatik der deutschen sehr ähnlich ist (Satzbau, Konjugation, etc.) und sogar noch leichter. Es gibt keine Fälle (Nominativ, Genitiv,…), nur zwei Artikel („de“- die und „het“- der/das) und die Regeln sind sehr klar und haben wenige Ausnahmen.
Wie ich letzte Woche dann feststellen durfte ist es seltsam, den Plural von Wörtern nach vorgegebenen Regeln zu bilden und zu schreiben und nicht einfach aus Gewohnheit zu wissen, was der Plural eines Wortes ist. Denn auch die sind den deutschen Pluralen echt ähnlich- und doch wieder auch nicht… auf einmal muss ich echt darüber nachdenken, wie ich ihn bilde -das ist schon verwirrend.
Zu allem Sprachenlernen gehört ein Anfang und so leicht sie auch scheinen mag, so muss man sich doch einarbeiten und ich bin froh durch den Kurs eine Anleitung zu bekommen. Hätte ich den nicht würde ich wahrscheinlich die Wörter nur aussprechen wie ich sie mal aufschnappe ohne irgendein tieferes Verständnis zu entwickeln und montag- und dienstagabends habe ich regelmäßig „Ahamomente“, in denen ich mich freue wieder etwas Neues zu entdecken oder zu verstehen, zum Beispiel, dass es im Niederländischen „verschillendes“ heißt und nicht verschiedenes.
Außerdem habe ich meinen Spaß daran zu erkennen wie das Niederländische mit dem Deutschen und mit dem Englischen verbunden ist, teilweise auch Einflüsse aus dem Französischen miteinhergehen, und wie die Sprachen sich entwickelt haben müssen, um so voneinander zu entstehen. Wie sie zusammenhängen und was sie unterscheidet und mich damit ab und an zu beschäftigen, ist mein persönlicher Bonus, an dem ich mich erfreue. Mein-> mijn -> my – das ist doch schön, oder nicht? 😀
Ich hoffe, dass dir ein kleiner Einblick in die Sprache und meine Klasse gefallen hat. Wahrscheinlich ist meine Begeisterung für Sprachen durchaus daran zu erkennen, wie ich den Text aufgebaut und gefüllt habe, aber solange ich dich nicht mit tausenden Übersetzungen und Zusammenhängen gelangweilt habe, ist ja alles gut. 😉
Dann bis zum nächsten Mal. – „Tus, tot volgende keer.“
Ich gehe mal Vokablen lernen,
Eure Gwen
7 Replies to “Ik studeer Nederlands.”
OHHH!!! Das hört sich ja richtig interessant an!!! 🙂 Das mit den Halsschmerzen wird auch noch – man gewähnt sich dran 😉 Liebe Grüße
Ja, das stimmt- es wird weniger;)
ääähhhmmm… ö natürlich! GewÖhnt! Das war die fehlende Lesebrille.
Ha! Da meldet sich doch gleich das schlechte Gewissen, dass ich für meinen Italienischkurs schon ewig keine Vokabeln mehr gelernt habe. Aber dafür läuft ab und zu eine italienische Soap Opera oder Talkshow nebenbei, wenn ich am Basteltisch sitze. Das schult das Hörverstehen. 😊
Das klingt gut! Ich schule meins während die Lehrer in der Schule den Kindern (und mir) Geschichten erzählen, das hilft auch voll!:)
Also doch Linguistik als Studienfach, oder??!? Kann ich nur unterstützen!
Und: Wie gut, dass Deine Französischkenntnisse so gut sind – Französisch kann man einfach immer und überall gebrauchen! 😉
Hören sich toll an, Deine Erfahrungen! Das freut mich sehr für Dich! Weitermachen!
Liebe Grüße!
Hmm, mal schauen 😉 und ja- Französisch hilft mir in der Tat sehr viel, auch wenn ich teilweise mit Wörtern aus Quebec etwas durcheinander gerate… liebe Grüße zurück!