Aankomen
Nein, dass sind keine zwei schlechten Rechtschreibfehler in meinem Titel- ich erwähnte die niederländische Rechtschreibung? Nun, ich finde ankommen ist eines der besten Beispiele dafür… aber nicht nur deshalb habe ich dieses Wort als Überschrift meines heutigen Beitrages gewählt.
Die Bedeutung spielt heute eine Rolle. Ich habe mir nämlich folgende Frage gestellt:
Was heißt es den anzukommen?
An einem Ort? Bei Menschen?
Bedeutet es, sich an den Schulweg zu gewöhnen, weil es jeden Tag derselbe ist? Bedeutet es, alle Kinder in der Schule beim Namen nennen zu können? Bedeutet es, das Gefühl zu haben ein Teil meiner Gastfamilie zu sein und kein Gast mehr?
Nun ich denke, das gehört auf jeden Fall alles dazu. Der Duden sagt „einen Ort erreichen, an einem Ort eintreffen“- doch ich glaube, es ist noch viel mehr, als sich physisch an dem Platz befinden. An einem Ort anzukommen, bedeutet für mich, sich bewusst zu werden, dass Dinge zur Gewohnheit geworden sind, man es als Wohlfühlen empfindet und das mit Freude zur Kenntnis zu nehmen.
Es ist Advent, eine Zeit, die uns auf die Ankunft, das Ankommen Jesu vorbereiten soll, und gleichzeitig, ob man nun gläubig ist oder nicht, bekommt man durch die dunkle Jahreszeit die Möglichkeit zur Ruhe zu kommen, sodass man, denke ich, auch von dem Ankommen bei einem selber sprechen kann.
Man kann sich im Advent ein bisschen Zeit nehmen, für sich. Mit Kerzen auf grünen Zweigen, die mit jeder weiteren das Weihnachtsfest ein bisschen näher bringen, ein Adventskalender, der durch sein tägliches Öffnen auch unsere Vorfreude steigert. Und dazu kommen in meinem Fall wöchentlich kleine Geschenke, von einem mir noch unbekannten Wichtel. Im Lehrerzimmer meiner Schule wird vor Weihnachten einmal die Woche eine Kleinigkeit verteilt und am letzen Schultag erfahren wir bei der Übergabe unseres Weihnachtsgeschenks, wer uns in der Vorweihnachtszeit als Wichtel erfreut hat.
Durch diese Wichtelei in der Schule und auch durch viele andere Kleinigkeiten wird mir immer wieder klar wie gerne ich dorthin gehe, wie viel Spaß es (meistens) macht dort zu arbeiten und wie selbstverständlich es für mich geworden ist dort jeden Tag hinzugehen. Ich fühle mich dort wohl.
Ich glaube, ich bin angekommen. In der Schule, in meinem Leben hier- es ist so normal hier zu sein und diese Erkenntnis ist sehr erfreulich!
Ich kenne die Kinder und Lehrer, die Eltern und die Schule und seid ein paar Tagen realisiere ich immer wieder, dass ich schon eine ganze Weile hier bin, denn ich kann bei den Kindern sehen wie sie sich entwickeln und entwickelt haben.
Die ganzen Kleinen sind wirklich gewachsen, seitdem ich hier angefangen habe und haben immer besser gelernt Niederländisch zu sprechen oder zu verstehen. An ihren Handlungen kann man sehen, dass sie verstanden haben, wo sie sind und was sie dort dürfen und was nicht und sie scheinen im Schulalltag angekommen zu sein und sich dort die meiste Zeit wohlzufühlen.
Besonders freut es mich zu sehen, dass mittlerweile meine ersten erzieherischen Maßnahmen oder Methoden Früchte zu tragen scheinen. Vor allem seitdem ich mich soweit verständigen kann, um Kindern Dinge zu erklären und sie mal zurechtzuweisen, bemühe ich mich um ein paar Sachen immer wieder und mein gefühltes stundenlanges Wiederholen und die täglichen Erinnerungen scheinen durchgedrungen zu sein und meine Worte werden umgesetzt.
Mittlerweile schubse ich die Kinder nicht mehr ungefragt auf den Schaukeln an, sondern ich möchte gerne von ihnen ein „Bitte“ hören, soweit möglich am liebsten in einem Satz. Diese Sache mit dem „Bitte“ ist mir selber ein großes Anliegen, dass ich den Kindern gerne mitgeben möchte, sodass sie auch im Hort von mir kein neues Blatt zum Malen bekommen, ohne nicht von mir daran erinnert zu werden „bitte“ zu benutzen oder sie es erst bekommen, wenn ich es gehört habe.
Die ersten Male wiederhole ich es einfach jedes Mal, wenn ich sie hoch in die Lüfte befördere. Manchmal frage ich sie auch direkt „Kannst du denn schon bitte sagen?“- das variiert je nach Alter und Niederländisch Kenntnissen.
Manchmal stehe ich dann einfach vor der Schaukel der Kinder und werde mit großen Augen angeschaut, wieso ich denn dort so tatenlos stehe. In diesem Fall sind Kinder einfach wunderbar, denn dann kommt es schonmal vor, dass eines der wartenden Kinder an der Seite darauf aufmerksam macht, dass man bitte sagen soll, damit ich anschubse („Jij moet alstublieft zegen!“- Du musst Bitte sagen!).
Süß sind auch die Kinder, die auf der Schaukel sitzen und auf meine Frage, was ich denn vielleicht gerne hören möchte (das mache ich vor allem bei Kindern, die das schon ein paar mal mitgemacht haben und theoretisch schon wissen), kurz die Augen nach oben richten, nachdenken und mithilfe ihrer Erinnerung dann ganz stolz „Alstublieft“ rufen.
Am schönsten ist es dann, nach vielen Malen daran erinnern und geduldigem Wiederholen des Satzes, den ich gerne hören will „Kan jij me duwen alstublieft?“ -Kannst du mich bitte anschubsen? Ihn einfach zu hören sobald sie fertig auf der Schaukel sitzen und das kommt immer öfter vor.
Eines der Mädchen ist eine Weile immer in den Schaukelbereich gelaufen, wo sie eigentlich nicht hindarf während die Schaukeln benutzt werden. Ich habe ihr nochmal erklärt, dass das gefährlich ist und sie meinte darauf, dass sie mir aber gerne was sagen oder zeigen will. Ich habe dann mit ihr „ausgemacht“, dass sie einfach mich fragen und bitten soll zu ihr zu kommen- so muss sie nicht in den Bereich und ich komme dann und dann darf sie gerne mit mir reden.
Vor zwei Tagen ist sie wie selbstverständlich an den Zaun gekommen, meinte „Kannst du mal bitte kommen Gwen“ und hat mir dann, als ich bei ihr war, einen schönen Stein gezeigt, den sie gefunden hat. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie schön das war und wie glücklich es mich gemacht hat, dass sie es einfach getan hat, wie ich es ihr beigebracht habe!
Nun, ich habe ja mal geschrieben: Aus dem Schaukeln kann man eine Wissenschaft machen und das gilt nach wie vor. 🙂
Ich weiß mittlerweile, dass ich von den Kindern akzeptiert worden bin und dadurch merke ich auch, wie ich hier angekommen und angenommen worden bin. Vor allem natürlich von den Kindergartenkindern, mit denen ich auch die meiste Zeit verbringe. Egal wo ich lang laufe, sei es am Fenster einer Gruppe, dann wird mir fröhlich zugewunken oder sei es an ihrem Spielbereich draußen, wo ich dann von allen Seiten gedrückt werde, freuen sich die Kinder mich zu sehen. Wisst ihr, das zu spüren tut gut.
Ja, ich denke, ich bin (ich weiß dieses Wort wiederholt sich) angekommen. Doch bald fahre ich auch schon wieder nach Hause, dann wenn alle vier Kerzen brennen, um mal wieder zuhause und bei der Familie anzukommen. So bereiten vielleicht die Kerzen zuhause nicht nur auf Jesus Ankunft vor, sondern auch auf meine. 😉
Ich wünsche euch lesenden Menschen, für den restlichen Advent, dass ihr es schafft Ruhe zu euch kommen zu lassen und die Zeit bis Weihnachten nicht als stressigen Geschenke-Such-Zeitraum empfindet, sondern als schöne kerzenschein-erleuchtete entspannte Phase des Jahres!
Auf eine gemütliche Vorweihnachtszeit,
Eure Gwen
5 Replies to “Aankomen”
Das ist super schön geschrieben, liebe Gwen. Wusstest du, dass Oma Elisabeth das „alstublieft“ aus einem Urlaub in den Niederlanden „mitgebracht“ und regelmäßig gesagt hat? 😗
Danke Britti! Nein, das wusste ich nicht, aber gut zu wissen, dass ich es erhalte ☺️❤️
Ich schließe mich Britta an. Danke für die schönen Worte. Papa
Bitte gerne! 😊
Gwen, es macht richtig Spaß, Deinen Erzählungen zu lauschen! 🙂 Schön, dass wir uns Weihnachten sehen! 😉 Liebe Grüße!